
Shimano ist heute aus der Welt der Rennräder nicht mehr wegzudenken. Die japanische Marke steht für Innovation, Präzision und Verlässlichkeit. Was viele nicht wissen: Ihre Wurzeln liegen nicht im Radsport, sondern in der Herstellung von Angelzubehör. Doch der Schritt in den Bereich der Fahrradkomponenten – insbesondere für Rennräder – veränderte nicht nur die Geschichte des Unternehmens, sondern auch die des Radsports selbst.
Die ersten Schritte: Shimano betritt das Rennradsegment
Im Jahr 1973 brachte Shimano mit der Dura-Ace 7100 Gruppe ihre erste Komplettgruppe für Rennräder auf den Markt. Damit trat das Unternehmen erstmals in direkte Konkurrenz zu europäischen Traditionsmarken wie Campagnolo. Während viele anfangs skeptisch waren, überzeugte Shimano mit technisch ausgeklügelten, leichten und vor allem bezahlbaren Komponenten.
Dura-Ace AX – Aerodynamik trifft Zukunftsdenken (1980)
Ein besonders ambitioniertes Projekt war die Dura-Ace AX Gruppe, die 1980 erschien. Sie war die weltweit erste Rennradgruppe, die gezielt auf Aerodynamik ausgelegt wurde. Die AX-Komponenten – von Bremsen über Kurbeln bis hin zu Sattelstützen – wurden mit weichen Linien, versteckten Schrauben und aerodynamischen Querschnitten gestaltet. Sogar ein spezielles aerodynamisches Lenker-Bremshebel-System wurde entwickelt. Auch wenn die Gruppe technisch spannend war, war sie ihrer Zeit wohl etwas zu weit voraus – sie fand im Profisport kaum Akzeptanz. Dennoch gilt sie heute als Meilenstein für Design und Ingenieurskunst.
Dura-Ace 7400 – Der große Durchbruch (ab 1984)
Mit der Einführung der Dura-Ace 7400 Serie begann für Shimano eine neue Ära. Diese Gruppe war der Startschuss für viele Innovationen, die bis heute prägend sind – darunter das bereits erwähnte SIS (Shimano Index System) im Jahr 1984. Die 7400er-Serie wurde kontinuierlich weiterentwickelt und war bis Mitte der 1990er Jahre die Referenzgruppe für Profis und Amateure gleichermaßen. Sie überzeugte durch hohe Präzision, robuste Konstruktion und eine bis dahin unerreichte Zuverlässigkeit im Schaltverhalten.
Viele Profis vertrauten auf die 7400 – nicht zuletzt, weil sie bei großen Rennen wie der Tour de France ihre Qualitäten unter Beweis stellte. Sie war Shimanos erste echte Profi-Gruppe, die weltweit auf Augenhöhe mit Campagnolo konkurrierte.
Technologischer Fortschritt: Shimano setzt neue Standards
Die 1980er- und 1990er-Jahre waren eine Zeit enormer technologischer Entwicklung im Radsport – und Shimano war Schrittmacher dieser Revolution. Hier sind einige der wichtigsten Meilensteine:
STI – Shimano Total Integration (1987)
Mit STI kombinierte Shimano als erster Hersteller Brems- und Schalthebel in einer einzigen Komponente. Der Fahrer konnte nun direkt vom Lenker aus schalten, ohne die Handposition zu ändern – ein riesiger Vorteil in Rennen mit hohem Tempo und schnellen Anstiegen oder Abfahrten.
9-fach Schaltung und Dura-Ace 7700 (1996)
Mit der Dura-Ace 7700 kam Shimano der Konkurrenz technisch erneut zuvor: 9 Ritzel hinten, ergonomisch optimierte STI-Hebel, leichte Materialien wie Titan, Aluminium und Carbonfaser. Die Gruppe wurde zum Liebling vieler Profis, unter anderem der Fahrer von ONCE, Banesto und Rabobank.
Shimano im Profisport – Erfolg durch Technik
Bereits in den 1980er-Jahren waren Shimano-Komponenten vereinzelt im Profipeloton zu finden. In den 1990ern verstärkte Shimano seine Präsenz deutlich. Top-Teams wie Gan, TVM oder Rabobank setzten auf Dura-Ace, und auch bei Weltmeisterschaften sowie Olympischen Spielen war Shimano häufig vertreten.
Ein Meilenstein war die Einführung des neutralen Rennservices bei großen Rundfahrten: Shimano-Fahrzeuge begleiteten das Rennen mit Ersatzmaterial – unabhängig von der Marke des Fahrers. Das stärkte das Vertrauen in die Marke zusätzlich.
Produktlinien für alle Leistungsniveaus
Neben der Spitzenserie Dura-Ace entwickelte Shimano abgestufte Gruppen, um breitere Zielgruppen zu bedienen:
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Ultegra (ehemals 600): Hohe Leistung für ambitionierte Hobbyfahrer, oft mit Technologien der Dura-Ace aus vorangegangenen Jahren
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105: Zuverlässig, robust und ideal für sportliche Einsteiger
Diese Strategie – Spitzentechnologie mit zeitlichem Abstand auch in günstigeren Gruppen verfügbar zu machen – wurde zu einem Markenzeichen von Shimano.
SPD-SL und Pedaltechnologie
Gegen Ende der 1990er-Jahre entwickelte Shimano auch eigene Pedalsysteme für den Rennradsport. Das SPD-SL-System war eine Weiterentwicklung des bewährten SPD-MTB-Systems und bot eine breitere Kontaktfläche sowie bessere Kraftübertragung. Damit etablierte sich Shimano auch als ernstzunehmender Pedalhersteller im Rennradsport.
Fazit: Eine neue Ära im Rennradsport
Bis zum Jahr 2000 hatte Shimano den Rennradmarkt nicht nur betreten, sondern neu definiert. Mit der kontinuierlichen Verbesserung der Dura-Ace Gruppen, der Einführung von Technologien wie SIS, STI und SPD-SL, sowie der Verfügbarkeit leistungsfähiger Komponenten für jedes Fahrniveau veränderte Shimano die Art, wie Rennräder gebaut und gefahren wurden – vom Einsteiger bis zum Weltmeister.
Was einst mit Präzisionsteilen für Angelrollen begann, wurde zu einem der einflussreichsten Kapitel der Rennradtechnik des 20. Jahrhunderts.